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Modalverben haben keinen Imperativ

Drei Modi stehen im Deutschen zur Verfügung: Der Indikativ, der Konjunktiv und der Imperativ.

Der Imperativ scheint wegen seines geringen Formenbestands etwas abseits zu stehen. Auch hat er keine eindeutigen Entsprechungen der Personalendungen wie die anderen beiden, die bereits in ihren deutschen Bezeichnungen aufeinander Bezug nehmen: Wirklichkeits- und Möglichkeitsform, etwas einander Ausschließendes und einander Ergänzendes.

Modus, Aussageweise, ist die Kategorie, mit der eine subjektive Stellungnahme zur Aussage des Satzes getroffen wird. Diese Einordnung kann also prinzipiell jedes Verb betreffen.

Der Imperativ wird folgendermaßen gebildet: gehen - geh!- geht! kommen - komm! - kommt! sein - sei …! - seid …! haben - hab …! - habt …!

Ausgenommen davon sind offenbar die modalen Hilfsverben des Müssens und Dürfens, also müssen, sollen, dürfen, können, (nicht) brauchen. Diese haben einen immanenten imperativen Charakter, der von einer fremden Instanz ausgeht. Du musst … . Du sollst … . Du darfst … . Du kannst … . Du brauchst nicht … . Imperativformen wie *Muss! - Müsst! Dürfe! -Dürft! Könne! - Könnt! Brauche (nicht)! - Braucht (nicht)! sind nicht vorgesehen im Sprachgebrauch.

Aus dem selben Grund werden Wunschsätze mit dem Konjunktiv I dieser Modalverben ungrammatisch. Wenn es also in dem Kirchenlied “Das sollt ihr Jesu’ Jünger nie vergessen”, EG 221 [1], heißt “Ach, dazu müsse deine Lieb’ uns dringen, …”, ist diese Verbform im Konjunktiv I, als Optativ gedacht, eine poetische Freiheit.

Dagegen sind die modalen Hilfsverben des Wollens, also wollen, mögen, anders zu betrachten, denn hier kann man eine andere Instanz - die des eigenen Willens - dazwischenschieben. Wollest - wollet, mögest - möget …! sind Optative, deren Personalpronomen in poetischen Texten entfallen kann. Ein Beispiel findet sich einem Gedicht von Eduard Mörike. [2]

“Wollest du …!” und “Mögest du …!” sind Wunschsätze, die man als Optativ, den es im Deutschen strenggenommen nicht gibt, begreifen kann. Sie ersetzen eine Ebene des Imperativs, der außer dem Befehl auch den Wunsch ausdrücken kann.

Dieser Art des Wunschsatzes steht der irreale Wunschsatz gegenüber, der mit dem Konjunktiv II ausgedrückt wird: “Wolltest Du nur …!” “Möchtest du nur …!”

Die Modalverben des Wollens können sowohl den realen, also realisierbaren Wunsch, wie auch den irrealen Wunsch ausdrücken. Dagegen eignen sich die Modalverben des Müssens und Dürfens nur für den irrealen Wunschsatz und Bedingungssatz. Diese beiden, der Irrealis und der Konditional, der im Deutschen kein eigener Modus ist, lauten: “Müsstest du nur!” und “Müsstest du, so … .” Entsprechend lauten die übrigen Formen: “solltest du, dürftest du, könntest du, brauchtest du (nicht), …”

Die Modalverben sind durch die Besonderheit gekennzeichnet, bereits den Satzmodus vorzugeben. Deshalb verschließen sie sich inhaltlich und prinzipiell dem Modus des Imperativs.

[1] liederdatenbank: Das sollt ihr, Jesu Jünger, nie vergessen
[2] Eduard Mörike
Gebet
1. Herr! schicke, was du willt,
Ein Liebes oder Leides;
Ich bin vergnügt, daß beides
Aus deinen Händen quillt.

2. Wollest mit Freuden
Und wollest mit Leiden
Mich nicht überschütten!
Doch in der Mitten
Liegt holdes Bescheiden

Gunhild Simon
23.01.2009

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