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Murmeln, Marmeln, Klicker und Knicker

Murmeln über Klicker und Knicker bis zu Marmeln bescherten mir schon an den wechselnden Wohnstätten meiner Kindheit bis hin zu meiner Erwachsenenwelt eine selbstverständliche Sprachvarianz.

Alle hatten ihren Eigensinn: Murmeln erklärten sich selbst, Klicker klickerten im Aufprall - mal zart, mal hart - Knicker wurden mit geknicktem Zeigefinger gekickt, und Marmeln schließlich waren die hanseatische Variante.

Die Murmel ist wie das Apfelkerngehäuse und das Brotende an Namensvielfalt kaum zu übertreffen. [1]

Dass die Murmel auf englisch marble, “Märbel”, Marmor, dass Marmor seinerseits auf mittelhochdeutsch marmel heißt, lässt das Bild marmorner Spielkugeln in klassischen Zeiten aufblitzen. Marmor ist eine Ableitung aus lateinisch marmor, griechisch marmaros, das Gebrochene, der Felsblock, der Steinbrocken, denn Marmor ist ein kristallinkörniges Kalkgestein. Hier ist sogar ein Verweis auf mürbe naheliegend.

Murmel, will man es mit murmeln erklären, ist hingegen ein lautmalendes Wort. Es hieß bereits auf mittelhochdeutsch murmeln, althochdeutsch murmulon, und ist verwandt mit lateinisch murmurare, murmeln, rauschen, und murmur, Brausen, Getöse, auch französisch murmurer, raunen, murmeln.

Das Murmelspiel brauchte wenig Gerät: eine halbkugelige Kuhle, das war ein kleines, mit den Händen glattgefegtes Erdloch, eine ebenso geglättete unmittelbare Umgebung als Bahn, und ein paar kugelrunde Spielsteine, die zielgenau kullern.

Von Glasmurmeln geht für mich immer noch eine besondere Faszination aus.

Sie waren für mich damals - kaum Schulkind - fabelhaft wie ein Kaleidoskop und wurden mit großer Andacht angeschaut. Eine Glasmurmel hatte den Tauschwert einer Vielzahl der bescheidenen einfarbigen Tonmurmeln, und es erfüllte mich mit besonderem Stolz, gerade solche in meinem Schatz, einem eher schmächtigen, kleinen Stoffbeutel, zu wissen.

Ich habe beim Murmeln oft tränensalzig schmeckende Verluste, auch jener nur letztinstanzlich eingesetzten begehrenswerten, hinnehmen müssen, weil die größeren Jungen so gewieft - und siegesbewusst - kickten, dass die begehrte Handvoll mit geübtem Griff aus der kleinen Erdkuhle ausgeräumt wurde, um in ihren Taschen - es waren die kurzer Hosen - zu verschwinden.

Solange man nur die tönernen kannte, deren gebrochene, abnutzungsgefährdete Farben zuerst die Sammelleidenschaft beflügelten, waren diese Gegenstand der Betrachtung. Erst mit der Brillanz und innerlichen Vielfalt der Glasmurmeln, mit ihren vielgestaltigen Varianten farbiger Einschlüsse, flüssig scheinender Verläufe und spektraler Farbspiele wurden sie zu gewöhnlichen, sommersprossigen Mauerblümchen.

Das ist doch eine oft erlebte, manchmal bittere, manchmal lächerliche Erkenntnis im Laufe des Lebens, dass etwas vermeintlich immerwährend Schönes verblasst im blendenden Schein des Neuen - vorerst und kurzlebig zwar - noch Schöneren. Das ist so mit der Mode, die das Auge fängt und die Begierde kitzelt. Und den Blick trübt.

Die folgende Aufstellung, wie sie den 70er Jahren entsprach, wird eine gewisse Wiedersehensfreude schaffen:

- “Marmel”: Schleswig-Holstein, HH, angrenzende Teile von Niedersachsen bis Bremen
- “Murmel”: DDR, östliches Niedersachsen, sonst einzelne Belege aus der ganzen BRD
- “Knicker”: Rest von Niedersachsen, nördliches NRW
- “Klicker”: südliches NRW, Rheinland-Pfalz, Saarland, Osthessen, Nordbaden
- “Glugger”: Südwürttemberg, Schwaben
- “Schusser”: Bayern
- “Kuller”: Sachsen und z.T. in Thüringen
- “Specker”: Tirol, Salzburg
- “Kugel/Kugerl”: restliches Österreich
- “Chlüre”: Schweiz

[1] murmelwelt.de: Namenregister

maerbelmuehle.de: Herzlich Willkommen im Murmelmuseum

murmeln-lauscha.de: MURMELN AUS GLAS FASZINIEREN KINDER UND KÖNIGE

Gunhild Simon
3.12.2008

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