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Mut und Gemüt

An Mut und Gemüt, auf den ersten Blick ganz Verschiedenartiges, knüpft sich eine Vielzahl von verwandten Wörtern. Sie sind uns oft so geläufig, dass ihre vielfach gar widersprüchliche Bedeutung an uns vorübergeht. Eine Vielzahl von Wortbildungen hängt damit zusammen. Ihre sprachlichen Wurzeln und Bedeutungen wollen wir hier verfolgen und erforschen.

Mut, mutig, engl. mood, Laune, Stimmung, ahd. muot, bezeichnet ursprünglich triebhafte Gemütszustände und seelische Erregungszustände im Sinne von Zorn (»sein Mütchen kühlen«), später den »Sinn«, das Sinnen und Trachten, das Streben des Menschen (»guten Mutes sein«). Erst seit dem 16. Jahrhundert setzte sich für Mut die Bedeutung von Tapferkeit durch.

Das Gemüt, mhd. gemüete, ist der Sitz innerer Empfindungen und Gedanken. Das zugehörige Verb muten (den Sinn richten auf etwas, begehren) ist untergegangen, es ist noch sinngemäß erhalten in anmuten, zumuten (ein Ansinnen an jemanden richten, Ungebührliches verlangen), vermuten, mutmaßen (für wahr annehmen). Eine Adjektivbildung ist das veraltete gemut, das nur noch in frohgemut – frohen, leichten Mutes – und wohlgemut (froh gestimmt, zuversichtlich) erhalten ist. Hier zeigt sich die enge Verbindung zwischen Mut und Gemüt.

In den Begriffen, die sich aus Mut bilden, zeigen sich beide Bedeutungen, die ursprüngliche, die eher Stimmung und Seelenlage ausdrückt. Dazu zählen Anmut und Anmutung, Langmut (Geduld), Wehmut, Schwermut, Gleichmut, Freimut (Offenherzigkeit), Unmut, Hochmut, Edelmut, Großmut (Großherzigkeit, Großzügigkeit) und Kleinmut (Engherzigkeit und fehlende Zuversicht). Die andere, die sich erst später hinzugesellt hat, bringt »Kühnheit« zum Ausdruck, überspitzt in »Wagemut«, vielleicht auch in »Übermut«. Die zugehörigen Adjektive werden teils von Gemüt abgeleitet und deshalb mit -mütig gebildet: übermütig, hochmütig, edelmütig, großmütig, kleinmütig, wehmütig, schwermütig, gleichmütig, langmütig, freimütig, oder sie gehen zurück auf Mut. Sie sind in ihrer Bedeutungsvielfalt eine Zusammensetzung mit -mutig: anmutig, unmutig, wagemutig.

»gemütlich« dagegen ist das Ergebnis des Zusammenfließens zweier Wörter, Gemüt, mhd. gemüete und ahd. gimuati, das eigentlich »gleichen Sinnes« bedeutet, mit der adjektivischen Bedeutung angenehm, lieb.

Eine gesonderte Rolle spielt die Demut, dazu das Adjektiv demütig und das Verb demütigen.

Demut, ahd. diomuoti, mhd. diemuot, Dienstwilligkeit, dienende Gesinnung, ist ein Wort, das der christlichen Mission in Oberdeutschland entstammt. Während sich der zweite Teil von muot, Mut, Gesinnung, ableitet, geht der erste De- auf ein urnordisches Wort zurück, das dienen, ahd. dionon, und Gefolgschaft zum Inhalt hat. Folglich bedeutet demütig bescheiden und demütigen jemanden zum Diener machen, herabsetzen. Dass sich in dem Substantiv Demut und dem Verb demütigen ein scheinbarer Bedeutungswechsel abzeichnet, liegt daran, dass ein Verb mit der Endung -igen ein Objekt voraussetzt, wie es in entmutigen, ermutigen, würdigen, huldigen zum Ausdruck kommt.

Armut hat noch eine andere Herkunft, die ins Dunkel der Geschichte zu reichen scheint.

Es bezieht sich offenbar weniger auf Mut im beschriebenen Sinn. Es hat die Wurzeln armuot (mhd.) und armuoti (ahd.), die mit den Endsilben von Heimat, ahd. heimuoti, mhd. heimuot, und Einöde, aengl. ainad, übereinstimmen und hier zu verknüpfen sind.

An allen mit -mut zusammengesetzten Substantiven ist ihre verschiedenartige Genuszugehörigkeit auffällig. Je abstrakter und je stärker auf die Wurzel Gemüt bezogen, desto mehr scheinen sie als Feminina aufzutreten. Allerdings können einige auch wechselnde Genera annehmen, wie etwa der/die Großmut, Kleinmut, Freimut, Langmut.

Man sieht, dass das vordergründig durchschaubar erscheinende Wort Mut genau betrachtet vielfältige Fäden zur Entwirrung bereithält.

Gunhild Simon
3. September 2007

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