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Nominalisierung und Derivation - die Suffixe -heit, -keit, -ung, -schaft, -tum, -nis und -sal

Unterschiedliche Endungen können aus Adjektiven und Verben ein neues Hauptwort, Substantiv, Nomen, produzieren. Diesen Prozess nennt man Nominalisierung.

Substantivische Endungen sind -heit, -keit, -ung, -schaft, -tum, -nis und -sal.

Die Ableitung neuer Wörter geschieht häufig mit Hilfe eines Wortbildungsmittels - einer Nach- oder Vorsilbe, eines Suffixes oder Präfixes.

Ein anderer Weg, Substantive zu erzeugen, ist die Substantivierung. Substantivierung bedeutet, Wörter mit einem Artikel zu versehen und groß zu schreiben. Zum Beispiel groß - der, die,das Große, die Größe, gut - der, die, das Gute, die Güte, das Gut, schreiben - das Schreiben, leiden - das Leiden. Betrachtet man dagegen Leid, liegt das Verb leiden als seinerseits davon abgeleitet nahe. Dieses Wechselspiel betrifft überwiegend Verben, Substantive und Adjektive, aber auch andere Wortarten können substantiviert werden, das Miteinander, das Nichts, das Jenseits.

Diese Ableitungsprozesse nennt man Derivation. Sie vollziehen sich auf vielfältigen und verschlungenen Wegen.

Das Suffix -heit produziert überwiegend Substantive aus Adjektiven und Partizipien, die Eigenschaften oder Zustände beschreiben, Bosheit, Weisheit, Freiheit, Vergangenheit, - Trunkenheit. Die Endung -heit war ursprünglich ein Kompostionsglied mit der Bedeutung Art, Wesen, Stand, Rang. Das erklärt, warum auch aus Substantiven solche mit einer weitergehenden Bedeutung entstehen z. B. Gottheit, Menschheit, Christenheit.  Eine Parallele  findet sich in englisch godhood, childhood, falsehood (Unwahrheit), hardihood (Kühnheit), neighbourhood, die Beschaffenheit, Art, aussagen. Die Endung -heit entspricht der lateinischen -tas, ihrerseits entstanden aus talum, so beschaffen, wie in aeternitas, Ewigkeit, vanitas, Leere, civitas, Staat. Als Fremdsuffix erscheint dies als -ität, qualitas, Qualität, Beschaffenheit, quantitas, Quantität, Menge.

Demgegenüber beschränkt sich die Endung -keit auf die Nominalisierung von Adjektiven. Sie wird in der Regel von einer adjektivischen Endung, die Eigenschaften ausdrücklich abbildet [1], begleitet  -igkeit, -lichkeit, -barkeit, -samkeit: richtig - Richtigkeit, ritterlich - Ritterlichkeit, haltbar - Haltbarkeit, Einsamkeit. Nur wenige weichen von diesem Muster ab wie bitter - Bitterkeit, munter - Munterkeit.

Das Suffix -ung kennzeichnet Funktionssubstantive. Funktionssubstantive leiten sich aus Verben ab, berichtigen - Berichtigung, leisten - Leistung, lösen - Lösung, ordnen - Ordnung. Diese Endung ist sehr produktiv und hat gerade in der Verwaltungssprache Liebhaber. Die Endung -ung entspricht dem lateinischen Suffix -(t)io, wie solutio, Lösung, prohibitio, Verbot. Von diesem leitet sich das Fremdsuffix -ion mit -ionieren ab, revolutio, Umsturz, Revolution, revolutionieren, conditio, Bedingung, Kondition, konditionieren.

Bei dem Suffix -schaft handelt es sich wie bei -heit um ein Kompositionssuffix. Es hat eine eigenständige Bedeutung, die althochdeutsch scaf, Beschaffenheit, Ordnung, Form, mittelhochdeutsch schaft, Geschöpf, Gestalt, Eigenschaft und englisch shape, Form, Gestalt, zum Ausdruck bringen. Das zeigt sich in Grafschaft, Bürgschaft, Gefangenschaft, Kindschaft. Im Englischen ist eine Parallele in dem Suffix -ship - friendship, Freundschaft, mothership, Mutterschaft, pilgrimship, Pilgerschaft.

Ebenso drückt das Suffix -tum eine Kompostionseigenschaft aus. Althochdeutsch und mittelhochdeutsch tuom geht auf die Bedeutung Art, Bestimmung, Geschick zurück, Eigentum Reichtum, Bistum, Herzogtum, Heiligtum. Im Englischen ist dieses Suffix in wisdom, Weisheit, kingdom, Königreich, freedom, Freiheit erkennbar.

Auch die Endung -nis ist ein Nominalisierungssuffix. Sie markiert Abstrakta.

Allen Rechtschreibregeln zum Trotz wird ihr auslautendes /-s/ erst in der Verlängerung verdoppelt. Das zeigt sich vorwiegend im Plural, auch im Genitiv - Ereignis, die Ereignisse, des Ereignisses.

Eigentlich müsste diese Nachsilbe der orthographischen Logik entsprechend “der Verriss, die Verrisse”, “der Kontrabass, die Kontrabässe”, mit Doppel-s geschrieben werden. Da das einfache /s/ jedoch lange eingebürgert ist, blieb es in dieser Form bestehen. Es lässt sich feststellen, dass die Nachsilbe -nis früher mit einem /ß/ im Auslaut geschrieben wurde, ein Zugeständnis an seine stimmlose Aussprache, die in der Verlängerung durch die Verdoppelung -nisse gekennzeichnet ist. Im Englischen ist das Doppel-s noch gegenwärtig in dem Suffix -ness fitness, goodness, wellness, happiness, darkness, loneliness.

Das Suffix -nis hat althochdeutsche Wurzeln, ohne dass das Suffix ein festes Genus markiert: -nissi-, -nessi- und -nussi-. Im Mittelhochdeutschen verschmelzen sie zu -nisse. In der frühen Neuzeit konkurriert das oberdeutsche -nus und mit dem mitteldeutschen -nis -, wie es etwa bei Luther dokumentiert ist.

Substantivbildungen auf -nis haben ebensowenig ein festes Genus. Sie variieren zwischen Feminina und Neutra.

- die Erkenntnis, die Finsternis, die Erlaubnis, die Bedrängnis, die Fäulnis
- das Ereignis, das Bildnis, das Zeugnis, das Wagnis, das Begräbnis

Die unterschiedlichen Genera erklären sich aus den spezifischen althochdeutschen und mittelhochdeutschen Wurzeln, die die gleichen Merkmale hatten.

Das Suffix -sal hat mit -nis einige Merkmale gemeinsam. Auch dieses bildet vorwiegend die Abstrakta. Es ist aber nicht mehr produktiv. Andere Wortbildungsmittel sind moderner, angemessener, ihm überlegen. Ein weiteres Merkmal ist die Varianz des Genus. Es gibt sowohl Femina als auch Neutra mit der Endung -sal.

Der aktive Bestand ist:

das Schicksal, das Rinnsal, das Scheusal, das/ die Labsal, die Drangsal, die Mühsal, die Trübsal

sich schicken - das Schicksal, rinnen - das Rinnsal, sich scheuen - das Scheusal, sich laben - das/die Labsal, drängen - die Drangsal, sich mühen - die Mühsal, trüben, sich betrüben - die Trübsal

[1] vgl. http://www.blog.institut1.de/2008/adjektivbildung/

Gunhild Simon
11.07.2009

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