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Osterspaziergänge

Karfreitagskirchgang

- Gottesdienst in der Hauptkirche St.Nikolai -

Er war tief bewegend, auch wenn es eher formale Handlungen zu sein scheinen, die diese Rührung erzeugen: Löschen der Kerzen, Schließen des Buches, Verzicht auf Blumenschmuck und Antependium - das ist der je nach Abschnitt des Kirchenjahres wechselnde “Vorhang”, der von der Kanzel hängt - Verzicht auf Orgelmusik, Halleluja, und Geläut. Es sind die Wortes des Johannes-Evangeliums (19, wenn ich mich nicht täusche) die so ergreifend in ihrem ganzen Zusammenhang sind.

Dann wird im Verlauf der Feier der Osternacht der reziproke Vorgang stattfinden: Da werden die Kerzen wieder entzündet, Orgel und Glocken wieder ertönen und die Heilige Schrift wird wieder geöffnet. Die protestantische Kirche hält sich ja mit der Symbolik eher zurück, aber hier hat sie einen Schritt gewagt, der die Sinnfälligkeit des Endes der Passionszeit und die Botschaft des Osterfestes wieder in aller Schlichtheit belebt. Das darf einem ruhig so nahegebracht werden.

Dann die Feier der Osternacht.

Die Kirche war stockdunkel. Rabenschwarz. Besetzt bis auf den letzten Platz. Wie viele Menschen hatten sich zu dieser späten Stunde noch auf den Weg gemacht! Lesungen und unbegleitete Gesänge - der eintönige Passionsruf “Bleibet hier, und wachet mit mir”, das Wort Jesu im Garten Gethsemane zu seinen Jüngern, das die ganze Passionszeit begleitet hatte, erklang immer wieder als Zäsur der Texte aus dem Matthäus-Evangelium. Um Mitternacht trugen Chorknaben unter dem feierlichen Gesang “Laudamus domine” das Licht der Osterkerze herein. Daran wurden die Altarkerzen entzündet. Das Altarkreuz erstrahlte. Das Buch war aufgeschlagen und das Antependium wurde herabgelassen. Die Kerzen, die zur Erhellung des Mittelgangs an Festtagen dienen, flammten auf und schließlich nach und nach auch die Kerzen aller Gemeindemitglieder. Sie gaben sich untereinander das Licht weiter, bis die Kirche in Kerzenlicht getaucht war. Alle Glocken gingen. Die Orgel brach ihr langes Schweigen mit Inbrunst. Es wurde das feierliche Nicäische Glaubensbekenntnis gesprochen. Nachbarn tauschten den Ostergruß. Die Ostergesänge wurden angestimmt. Das Abendmahl wurde gefeiert.

Und weil Oblaten nicht satt machen, gab es nach dem Gottesdienst süßes Osterbrot zu essen.

Wir brauchen Feste. Sie sind der Balsam für die Seele.

Gunhild Simon
23.03.2008

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