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Röslein rot!

In altertümlichen Texten, in dichterischer und volkstümlicher Sprache, stößt man auf scheinbare Verkürzungen, die aus heutiger Sicht fehlerhaft anmuten.
Kein schöner Land.
Gut Ding will Weile haben.
Mir ist ein feins braun Mägdelein.

In der Poesie insbesondere wird ein Adjektiv sogar nachgestellt:
Röslein, Röslein, Röslein rot!
O, Jesulein zart!
Das wirkt heute unzeitgemäß. Es ist in dieser Satzstellung das Mittel, um ein bestimmtes Versmaß zur Vollendung zu bringen:
Es ist ein Ros’ entsprungen aus einer Wurzel zart.

Diese Verkürzung betrifft vorwiegend Neutra, besonders jene, die bereits eine eindeutige Neutrumendung wie -chen oder -lein haben: ein Mägdlein fein, ein Blümlein blau.

Inbesondere in formelhaften Fügungen findet sich die Flexionsendung, also die Endung des adjektivischen Attributs, verkürzt vor, z. B. Gut Freund sein, viel Feind, viel Ehr’ , Deutschland, einig Vaterland, eitel Freud’ und Sonnenschein , “Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern …”

Ob man die dichterische Formulierung “Ich träumt in seinem Schatten gar manchen süßen Traum” oder “… hab manche schöne Puppe besessen” betrachtet, hier wäre auch nach heutigem Sprachgefühl eine Verkürzung zu manch vorstellbar: manch süßen Traum, manch schöne Puppe. Gerade die unbestimmten oder zurückweisenden Adjektive manch, mancher, welch, welcher und solch, solcher sind in der Verbindung mit einem weiteren Adjektiv verkürzt üblicher. Mancher = manch einer, mancher nette Mensch = manch netter Mensch. Diese Veränderung verhält sich sich zu der Flexionsendung des Adjektivs ebenso wie der bestimmte oder unbestimmte Artikel zu den unterschiedlichen Endungen des Adjektivs: der nette Mensch - ein netter Mensch. [1]

[1] blog.institut1: Indefinitpronomen und unbestimmte Zahladjektive

Gunhild Simon
2.01.2009

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