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Schmetterlinge und Motten - Mimikry und Camouflage

Ein tagaktiver Nachtfalter - ist das nicht widersinnig?

Diese Frage stellte sich auch der Protagonist Christian in dem Roman “Der Turm” von Uwe Tellkamp. Sein Onkel Meno, von Haus aus Zoologe - beantwortet sie aber nicht. Auch die im spätsommerlichen Sonnenlicht unermüdlich über dem dürren Kastanienlaub flatternden Miniermotten legten die Frage nahe.

Nachtfalter unterscheiden sich von Tagfaltern durch die Position der Flügelpaare in Ruhestellung. Motten, Nachtfalter, haben nach hinten gelegte Flügel, während Schmetterlinge, Tagfalter, ihre Flügel nach oben aufgerichtet über dem Leib falten. Nachtfalter sind pelziger und pudriger. Ihr Flug ist eulengleich leise, fast unheimlich, schwankend und taumelig im Licht. Wie die meisten nachtaktiven Tiere sind sie unscheinbar, während viele Tagfalter mit Blumen um die Wette prunken.

Jeder kennt - vielleicht nur insgeheim - diese Unterscheidungsmerkmale, sie bewirken, dass manche sich vor den einen - den Nachtfaltern - ängstigen, während sie die anderen - die Tagfalter - entzücken.

Färbung und Musterung insbesondere der Tagfalter dienen der Erkennung bei der Partnerwahl und der Tarnung, wenn sie sich niederlassen, um Nektar zu saugen oder auszuruhen. Die Unterseite des Flügelpaars ist oft anders als die prächtige Oberseite gestaltet. Manchmal ist sie unscheinbar camouflageartig gezeichnet. So verschwimmt sie leichter optisch mit ihrer Umgebung.

Thomas Mann schildert diesen Vorgang aufs Genaueste in seinem Roman “Doktor Faustus”. Er beschreibt, wie sich ein Schmetterling auf dem Waldboden niederlässt und von dem Moment an für seine Feinde - Vögel, Raubinsekten - unsichtbar wird, denn seine Flügel sind auf der Unterseite perfekt den vergehenden Blättern mit all ihren natürlichen Unebenheiten bis hin zu glitzernden Tautropfen nachgebildet.

Bei Nachtfaltern ist die Oberseite des Flügelpaars in Ruhestellung sichtbar. Wenn sie so verharren, passt sich diese Zeichnung dem ihnen gemäßen Untergrund an. Ein Nachtfalter, der tagsüber auf Baumrinde ausruht, lässt sich kaum von seiner Umgebung unterscheiden. Eine goldfarben gebänderte Miniermotte auf welkem Kastanienlaub zeigt sich erst, wenn sie auffliegt.

Das Gewand der Schmetterlinge ist das Hochzeitskleid. Sie haben in ihrem Insektenleben bereits die Metamorphose vom Ei über das Stadium der Larve und der Puppe durchlebt, bis sie das letzte, die Imago, “das Bild, Gebilde” erreichen. Nun sind sie geflügelt und für die Partnersuche gerüstet. Das Fress- und Wuchsstadium der Larve, das Verwandlungstadium in der engen Umhüllung der Puppe - beides liegt hinter ihnen. Die Fortpflanzung steht bevor, schließlich das letzte Ziel, die Eiablage. Nun dient die Nahrungssuche der Wasser- und Energieversorgung beim Fliegen.

Es ist ein Nippen an Blütenkelchen, oder - an Milchnäpfen. Man befürchtete, dass dadurch die Mich sauer würde.

Der Name Schmetterling hat nämlich nichts mit “schmettern” sondern mit mitteldeutsch Schmetter, Schmand, zu tun. Man glaubte, es seien fliegende Hexen, die Sahne und Milch stehlen würden, daher auch die Namen “Molkendieb” und “Buttervogel”, englisch butterfly.

Angesichts der auffälligen und farbenprächtige Zeichnung von Schmetterlingen fragt man sich, ob sie nicht dadurch zu einer leichten Beute für ihre Feinde werden.

Schmetterlinge und Motten sind weder wehrhaft noch flink, deshalb auf Tarnung und Warnung - Camouflage und Mimikry - angewiesen. Camouflage ist die optische Anpassung an die Umgebung, so dass die Augen eines Feindes die Umrisse nicht mehr richtig wahrnehmen. Mimikry ist die Tarnung durch ein auffälliges, imitiertes fremdes Kleid und Gebaren, das die Feinde irritiert. So wirken die Kreise auf den Flügelpaaren des Pfauenauges auf Vögel wie die Augen eines großen Tieres.

Im brasilianischen Urwald gibt es eine auffällige Falterart, die in unerklärlicher Gemächlichkeit dahingleitet. Diese Unbesorgtheit ließ einen Forscher stutzen. Dass diese Art unbeachtet bleibt, wie unsichtbar, liegt an ihrem üblen Geschmack, der verhindert, dass sich kein Tier zum zweiten Mal an ihr vergreift. Dies hat sich eine andere, keineswegs ungenießbare, aber seltene Falterart zunutze gemacht, die Zeichnung und Bewegungsart der vergällten täuschend nachzuahmen, und unbekümmert um Auffälligkeit und Langsamkeit sich in gleicher Gelassenheit bewegt. Es handelt sich um Ithomiini und Dismorphia, zwei ganz unterschiedliche Familien.

Das aus dm Englischen stammende Wort Mimikry, Nachahmung, ist griechischen Ursprungs, mimikós, erkennbar auch in “Mimik”. In der Biologie versteht man darunter, dass ein Tier Gestalt, Färbung oder Zeichnung eines anderen wehrhaften, giftigen oder ungenießbaren als Selbstschutz imitiert, z. B. hierzulande die Schwebfliegenart, die die schwarzgelben Warnstreifen der Wespen nachahmen. Das Gegenstück ist Mimise, die Tarnung durch Unkenntlichkeit in der Umgebung, wie etwa das getüpfelte Haarkleid, die Tarntracht mancher Jungtiere, deren Umrisse sich so für Fressfeinde optisch auflösen.

Das französische Wort camouflage, das, ursprünglich ein soldatischer Begriff, Ausdruck für die Tarnung von Befestigungsanlagen war, ist geläufig geworden, weil die dem Militär entstammenden Tarnfarben und -muster in der Mode Einzug gehalten haben.

Gunhild Simon
29.04.2009

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