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Sinn und sinnen - Gesinnung und gesinnt

In den “Geschichten Jaakobs” legt Thomas Mann der sterbenden Rahel, der Rechten und einzig Geliebten, letzte Worte, zu Jakob gesprochen, in den Mund: “Ohne Rahel mußt du’s nun sinnend ausmachen, wer Gott ist.

Jakob, im Besitz des erstgeburtlichen Segens, von Gott auserwählt zu sein, sieht seine Aufgabe darin, dem Einzigen, Wahren und Höchsten nachzuspüren im Sorgen und Sinnen. Er ist der in Gedanken Versunkene. Der Sinnende. [1]

Das Verb sinnen leitet sich von Sinn ab. So wie Sinn mehrdeutiger und umfassender ist als Verstand oder Geist, ist sinnen anders getönt als denken. Im Sinnen gibt man sich dem freien Gedankenfluss hin, während eine ergebnis- und zielorientierte Überlegung in strengeren Bahnen verläuft.

Sinnen, sich besinnen, nachsinnen, ist eine Art Bedenken, Meditation, Denkerfahrung, z. B. Ich muss mich zuerst besinnen. Lange sann ich über das Gehörte nach. In Verbindung mit der Präposition auf wird sinnen idiomatisch mit Rachegedanken verknüpft, z. B. Sie sann auf Rache. Sie hat auf Rache gesonnen. In der Wendung Sinnen und Trachten - Bemühen, Absicht, wird es tendenziell ironisch überzeichnend gebraucht.

Von sinnen leitet sich Gesinnung ab, z. B. edle, niedere, gleiche, politische Gesinnung.

Die zusammengeschriebenen Adjektive hochgesinnt, wohlgesinnt, übelgesinnt, gleichgesinnt haben ihre Wurzel in Gesinnung. Darauf wiederum fußt Gesinntheit, z. B. Gleichgesinntheit, Wohlgesinntheit.

Auch das Partizip gesinnt benötigt sein - dann schreibt man es getrennt: gleich, anders gesinnt, freundlich, feindlich gesinnt sein, z. B. Er ist edel gesinnt.

Ebenfalls nur in Verbindung mit sein tritt gesonnen auf. Es ist das Partizip von sinnen. Gesonnen sein bedeutet willens sein, z. B. Ich bin nicht gesonnen nachzugeben.

In der Umgangssprache wird statt wohlgesinnt eher wohlgesonnen verwendet. Diese Form hat sich offenbar in Analogie zu den aus Partizipien gebildeten Adjektiven besonnen, überlegt, und versonnen, nachdenklich, eingebürgert. Sie ist inzwischen unauffällig und wird als geläufiger empfunden, obgleich streng genommen das Partizip gesonnen sein in der Bedeutung von gewillt sein eigentlich unpassend ist.

[1] “Das hindert nicht, daß notwendig bleibt das Sinnen sowie das Sorgen und die Beunruhigung, die Abrahams Teil waren und unser Teil sind je und je, damit wir uns lösen von dem, worüber der Herr hinauswill mit uns und vielleicht schon hinaus ist, das ist die Sorge.”
Thomas Mann: Der junge Joseph, Ffm, 2004, S.89

Zu Jakobs Lieblingshaltung - man darf dies schon etwas ironisch betrachtet nennen - der des offenkundigen Sinnens eines Gottesfreundes findet sich Ausführliches bei Thomas Mann: Die Geschichten Jaakobs, Ffm 2004, S.90 ff

Gunhild Simon
3.02.2009

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