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Sprosskonsonanten - wie wird aus Morgen morgendlich?

Nach welchem Muster wird aus Willen willen-t-lich, aus Wesen wesen-t-lich? Da diese Laute in der Mitte eines Wortes gleichsam hervorsprießen, heißen sie Sprosskonsonanten: eigentlich, wissentlich, gelegentlich, ordentlich, öffentlich, hoffentlich.

Statt eines /t/ als Sprosslaut gibt es auch ein /d/. Dies steht bei niemand, jemand, weiland, irgend. Diese nachträgliche Einfügung wortfremder Laute heißt sekundär, weil sie nicht zu dem eigentlichen Wort gehören, sondern zugunsten einer klareren Aussprache hinzugefügt wurden.

Nach diesem Muster hat auch morgendlich sein sekundäres /d/ erhalten. Dagegen hat das Wort abendlich das /d/ vom letzten Buchstaben des Wortes Abend. Schaut man sich vergleichbare Wörter an, so stellt man fest, dass sie sich durch andere Verschlusslaute von ihrem Suffix abgrenzen. Fehlt dieser eigene Plosivlaut am Ende des Wortstammes - nächt-lich, täg-lich - muss er eingefügt werden, um ein dem Sprachgefühl entsprechendes Wort zu erzeugen.

In veralteter Form hieß der anbrechende Tag der morgende Tag. Das hat seine Ursache darin, dass Morgen eigentlich das aufscheinende Licht der Dämmerung bezeichnete. Deshalb beschreibt das einem Partizip Präsens entlehnte Wort morgend diesen Vorgang. Mittelhochdeutsch morgen, althochdeutsch morgan sind die ursprünglichen Bezeichnungen für Schimmer und Dämmern. Der morgige Tag hieß früher der morgende Tag und wurde später offenbar erst der Form von heutig und gestrig angeglichen. Das Adverb morgen ist ein adverbiell erstarrter Dativ von Morgen und bedeutete zunächst am Morgen und schließlich am Morgen des folgenden Tages. Dagegen ist das Adverb morgens ein adverbiell erstarrter Genitiv, des Morgens.

Der Genitiv von der Morgen lautet des Morgens, der von der Abend lautet des Abends. Nun ist jedoch die Nacht ein Femininum. Aus während der Nacht müsste eigentlich der Nacht werden. Es wurde jedoch daraus des Nachts in Angleichung an die anderen Tageszeiten. Diese erstarrte Form nimmt man als Grammatikfehler nicht einmal wahr.

Gunhild Simon
16.07.2008

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