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Topikalisierung - eine neuartige Satzkonstruktion?

Wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen gibt es auch in der journalistischen Branche sprachliche Modeerscheinungen. Nur haben diese naturgemäß einen höheren Verbreitungsgrad, weil sie durch die Veröffentlichung kein Nischendasein führen.

Eine Satzkonstruktion greift derzeit gleichsam epidemisch um sich. Sie verleiht dem Satz durch die ungewöhnliche Syntax ein gewisses Pathos.

Beispiele:

Der Vater der Kinder - er brach schluchzend zusammen.

Der Roman - er hat mich sehr beeindruckt.

Der Film - wie war er denn nun?

Die syntaktische Besonderheit dieser Sätze ist ein vorangestelltes Subjekt, das nach einem Gedankenstrich oder Komma wieder als Personalpronomen aufgegriffen wird, um den Satz zu vollenden. Man kann dies als eine Form der Topikalisierung bezeichnen.

In der klassischen Rhetorik heißt die Lehre von der Zusammenstellung von Gesichtspunkten, die der Erörterung des Themas dienen, Topik. Das Wort geht zurück auf griechisch topos, (pl.) topoi, Ort, Stelle, Gemeinplatz, übertragen bedeutet es feste Redewendung, Formel, traditionelles Motiv.

Die antike Lehre der Rhetorik beschreibt Stilmittel, rhetorische Figuren [1]. Unter Topikalisierung versteht man ein Stilmittel, das durch eine bestimmte Anordnung die Akzentuierung einzelner Wörter oder Satzglieder erzielt. Topikalisierung bezeichnet folglich die bewusste Verortung eines Satzgliedes. Prädestiniert ist der Satzanfang, um es hervorzuheben. Da diese Stelle aber bereits der angestammte Platz des Subjekts ist, bedarf es zur Betonung einer besonderen Form des Satzbaus. Diese ist also die Betonung des Subjekts durch Wiederholung.

In der Fachsprache der Grammatik heißt ein Satzbau mit einem nachträglich einhakenden Bezugswort casus pendens, hängender - anhängiger - Fall. Durch die Hinauszögerung der Preisgabe des eigentlichen Geschehens wird Spannung, Suspense, erzeugt. Dieses Stilmittel, das im Grunde den Satz verlängert und kompliziert, ist als mündlicher Kommentar zu bewegten Bildern, also in unmittelbarem Zusammenhang und akzentuierender Verwendung, akzeptabel. Wie bei allen ungewöhnlichen Satzstellungen wird nämlich Aufmerksamkeit durch Originalität hervorgerufen. Die Häufung ausgefallener Konstruktionen wirkt dagegen für den Zuhörer oder Leser ermüdend.

Webhinweis:

[1] Magazin Deutsch - Rhetorische Figuren – ein Begriff, der nur vordergründig Rätsel aufgibt

Gunhild Simon
15.07.2008

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