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Untertan oder untertan?

Besonders strittig waren bei der Reform der Groß- und Kleinschreibung Wörter wie Leid, Schuld, Freund, Feind, Gram. Als Substantive sind sie unstrittig.

Wenn sie jedoch prädikativ oder adverbial mit sein, werden, bleiben, haben, machen verbunden werden, verblasst ihr substantivischer Charakter, und sie werden als unveränderlicher Teil des damit verbundenen Verbs wahrgenommen: etwas leid sein oder haben, leid tun, schuld sein oder haben, jemandem freund, feind oder gram sein.

Die Schreibung kann hier variieren, je nachdem ob der Schreiber in mehr figürlichen oder abstrakten Kategorien denkt.

Unzweifelhaft ist, dass groß geschrieben werden muss, wenn ein Artikel, ein qualifizierendes Attribut – aber nicht zwangsläufig wenn ein Adverb in Form eines Grad- oder Abtönungspartikels wie sehr, etwas, ganz, besonders – oder ein Verb hinzutritt, das einen konkreteren Zusammenhang erzeugt.

Beispiele:

jemandem ein Leid tun, großes Leid tun, Leid antun
die Schuld auf sich nehmen, große Schuld haben, sich Schuld aufladen

Im Gebrauch von jemandem gram, freund, feind oder gar spinnefeind sein, bleiben, werden spiegelt sich ein Gesinnungsverhältnis zu einem anderen wider. Man ist jemandem grämlich, freundlich, feindlich gesinnt. Ausgedrückt wird dies durch den Dativ.

Eine orthographische Besonderheit ist die erstarrte Wendung mit jemandem gut Freund sein, bleiben, werden. Zwar ist das Adjektiv gut endungslos erstarrt, jedoch ist das Substantiv Freund figürlich zu verstehen.

Auch der Untertan, Inbegriff des Obigkeitsergebenen, ist ein Substantiv mit Artikel und Flexionsendungen. Untertan, mittelhochdeutsch und althochdeutsch untertan(e) ist eigentlich ein Partizip II zu dem Verb untertuon, unterwerfen, unterjochen, verpflichten. Ein Untertan ist folglich ein Unterworfener, Unterjochter, Tributpflichtiger.

Jemandem untertan sein, bleiben, werden, sich jemanden untertan machen hat es eine übertragene Aussage. Es wird damit eine untertänige, unterwürfige Gesinnung beschrieben. Auch hier ist das kleingeschriebene, unveränderliche untertan im grammatischen Kontext nur adverbial oder prädikativ zu verstehen.

Wie bei den obigen Wörtern ist eine Großschreibung angezeigt, wenn das Wort den verblassten Charakter wieder ablegt und in konkretem Kontext eingesetzt wird.

Beispiele:

ein guter Untertan sein, sich jemanden zum Untertan machen

Artikel oder Attribut indizieren dann die Figürlichkeit der Aussage.

Gunhild Simon
Nov 22 2009

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