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Vandalismus

“Hausen, wüten wie die Vandalen” - Vandalismus ist im heutigen Sprachgebrauch blindes Abreagieren, sinnlose Zerstörungswut.

Die Vandalen waren ein Volk, das sich im Zuge der Völkerwanderung wie die Hunnen, Alanen und Ostgermanen - die Goten, Burgunder, Haslinger, Sislinger - später die Nordgermanen - Jüten, Franken, Langobarden, Sachsen, Angeln - auf Wanderschaft gemacht hatte. Den Goten hat der nach ihnen benannte Baustil kulturelle Unsterblichkeit verliehen. Die Franken haben ihren Namen einem kulturell hochstehenden Volk, den Franzosen vermacht. In England haben die Angeln und Sachsen ihr Auskommen gefunden.

Den Vandalen jedoch ist semantisch ein böses Erbe zugeflossen - ein schlechter Ruf, der ihnen zu Unrecht zuteil geworden ist.

Sie waren Ostgermanen, die sich aus dem heutigen Polen durch das damalige Germanien, Gallien und Hispanien nach Nordafrika bewegten. Sie erreichten Punien, das heutige Tunesien, und vertrieben die dortigen römischen Machthaber, um sich in Karthago [1] niederzulassen. Dort errichteten sie über hundert Jahre lang - zwischen 430 und 535, einer Epoche an der Schwelle zum Mittelalter, in der die römische Weltherrschaft im Begriff war zu zerfallen - unter Erhaltung und Pflege aller kulturellen Schätze ein getreues, dabei friedliches, Abbild römischer Oberherrschaft.

Die Vandalen waren bei ihrer Durchquerung Hispaniens zum Christentum übergetreten, daher zählten sie zu den Christen arianischer Prägung. Diese unterschieden sich sich von den römisch-katholischen durch ihr Gottesverständnis. Sie siedelten Jesus Christus etwas niedriger als Gottvater an und hatten kein rechtes Verhältnis zur Dreifaltigkeitslehre.

Der von römisch-katholischen Historikern betriebene Rufmord, es habe sich bei den Vandalen um germanische grausame und gewalttätige Ungläubige gehandelt, vor denen man sich habe schützen müssen, gründete auf einem Ereignis, in dem die Vandalen tatsächlich nicht vollends friedlich aufgetreten waren. Wegen politischer Misshelligkeiten segelten sie von Karthago aus im Jahr 455 über das Mittelmeer und plünderten Rom. Unter ihrem Führer Geiserich wurde Rom aller seiner Schätze beraubt - allerdings weder destruktiv noch vandalistisch. Stattdessen wurde die Beute verpackt und zur Verschönerung eigener Stätten von Kultur und Lustbarkeit nach Nordafrika verschifft. Die haslingischen Vandalen wurden bereits um 535 durch einen Angriff Ostroms für immer von der Bühne der Geschichte vertrieben. Ihre römischen Kunstschätze kommen nun bei tunesischen Ausgrabungen wieder ans Licht.

Ihren Ruf als blindwütige Kulturzerstörer haben sie sich nicht etwa hier erworben, sondern er war das Ergebnis einer Formulierung aus katholisch klerikalem Mund. Auf diesen Raubzug bezog sich nämlich im 18. Jahrhundert der liberale französische Abbé Grégoire, der die revolutionäre Bilderstürmerei der Jakobiner, gerichtet gegen kirchliche und feudale Kunst, als vandalisme, Vandalismus, verwarf. Geblieben ist der Begriff - Etikett aus einem Rufmord - der seinen Urhebern genau besehen kaum gerecht wird. [2]

[1] wikipedia/Geschichte_Karthagos

Hier findet sich auch eine Karte.

[2]”Kultivierte Eroberer” - so lautet der Titel eines Artikels in der ZEIT Nr. 41 vom 1. Oktober 2009, S.41 f., der sich ausführlich mit den historischen Hintergründen der Herrschaft, den Bedingungen des Aufstiegs und Untergangs der Vandalen in Karthago beschäftigt.

Gunhild Simon
29.09.2009

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