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Verbkomposita

Es gibt nur wenige lexikalisierte Verben mit dem Erstglied zwischen-:
zwischenlanden, zwischenspeichern, zwischenlagern, zwischenfinanzieren, zwischenblenden
Diese sind wohl aus Substantiven rückgebildet:
Zwischenlandung, Zwischenspeicherung, Zwischenlager, Zwischenfinanzierung, Zwischenblende.

Deshalb werden sie eher im Infinitiv oder im Partizip II oder im Verb-Letztsatz gebraucht, etwa “um zwischenzulanden.” “…, daß ich zwischenlande”.

Ähnlich steht es mit gegen- als Erstglied. Es ist zwar morphologisch und syntaktisch trennbar, jedoch vermeidet man die getrennte Stellung, etwa als Verbklammer, also “ich werde den Text gegenlesen,…,daß ich gegenlese, ich muß gegenhalten” statt *”ich lese den Text gegen. Ich halte gegen”. [1]

Eine häufig funktionierende Faustregel ist: “Es ist trennbar, wenn der abgetrennte Teil betont ist und die Zusammensetzung an dieser Stelle erfolgt ist”. Das gilt eigentlich ziemlich zuverlässig, solange der getrennte Teil nicht hinter das Verb gerät; also wird trennbar gebildet:

um bereitzustellen,
nicht: um zu bereitstellen
um hineinzugehen, er geht hinein

nicht: um zu hineingehen
um ehezubrechen,(er ehebricht?* )
nicht: um zu ehebrechen
um misszuverstehen, (er missversteht*)

nicht: um zu missverstehen
überzuinterpretieren, (er überinterpretiert*)
nicht: um zu überinterpretieren

Bei manchen Wörtern - nämlich den mit * gekennzeichneten - weigert sich aber das Sprachempfinden, den getrennten Teil hinter das Verb zu stellen. Sie sind also nur in den Formen trennbar, in denen die Reihenfolge bestehenbleibt.

Die Formulierung “eigenes Wort” ist tendentiell tautologisch: Ist es trennbar, dann tritt es als eigenes Wort auf, woraus folgt, dass es trennbar ist. “herein” ist zum Beispiel kein eigenes Wort, sondern tritt in vollständigen Sätzen nur als abgetrennter Teil eines trennbaren zusammengesetzten Verbs auf.

Wenn man versucht, allgemeingültige Regeln aufzustellen, muss man auch berücksichtigen, wie das Wort sich ursprünglich zusammensetzt:
ohrfeige-n, brandschatz-en und frühstück-en werden nicht getrennt, obwohl ihr erster Bestandteil ein eigenes Wort ist.

Es gibt verschiedene Typen der Rückbildung. Ihre Vollständigkeit lässt sich am Partizip II ablesen, namlich inwieweit das Präfix ge- zwischen den Bestandteilen der Verbindung oder davor plaziert wird.

Wenn sich die Satzklammer durchsetzt, wie bei Ich stehe [ein Weilchen] Schlange, Ich arbeite [seit langem]Teilzeit, nennt man dies im Gegensatz zu ich schlußfolgere, vollständige Uminterpretation.

Unvollständig ist der Prozeß bei kopfrechnen. Hier lässt sich kein überzeugendes finites Verb oder Partizip II bilden: *ich rechne Kopf, *kopfgerechnet, *Kopf gerechnet, *gekopfrechnet. Deshalb weicht man auf Konstruktionen mit modalem Hilfsverb oder Infinitiv aus: ich kann gut kopfrechen, um besser kopfzurechnen.

Dagegen sind Varianzen festzustellen bei Staub saugen/staubsaugen, Haus halten/haushalten, Gewähr leisten/gewährleisten.

Hier lassen sich entsprechend variierende Partizipia II bilden:
z. B.
staubsaugen, ich staubsauge, um zu staubsaugen, ich habe gestaubsaugt Staub saugen, ich sauge Staub, um Staub zu saugen, ich habe Staub gesaugt. [2]

Wie oben dargestellt gehört sicher segelfliegen zu der Kategorie der unvollständig uminterpretierten Substantiv-Verb-Komposita.

Bei einigen Verbkomposita, die im Gegensatz zu der angeführten Faustregel mit durchaus eigenständigen Präpositionen zusammengesetzt werden - um-,(um’fahren) durch- (durch’laufen), unter-, (unter’graben) über-, (über’fordern), hinter- (hinter’fragen) - werden die genannten ungetrennt verwendet. Wenn sie sich auf dem Präfix betonen lassen - ‘umfahren, ‘durchlaufen, ‘untergraben - haben sie eine andere Bedeutung und werden getrennt. Sie bilden dann die Satzklammer.

Außerdem bilden diese ein anderes Partizip II und einen anderen anderen erweiterten Infinitiv: ‘durchlaufen, durchgelaufen, um durchzulaufen, dagegen: durch’laufen, durchlaufen, um zu durchlaufen.

Entscheidend für die Verb-Trennbarkeit ist also die Frage der Betonung.

Welche präfigierten Verben ein Partizip II mit eingeschobenem -ge- bilden - notgelandet, preisgegeben, zwischengespeichert - und welche dies unterschlagen, lassen erkennen, daß es eine Frage der Betonung des zugrundleiegenden Verbs ist:
misshandeln - misshandelt
misshören - misshört

Aber:
missdeuten - missdeutet oder missgedeutet
Daneben diejenigen, die bereits eigene untrennbare Präfixe wie ver- be-, emp- haben, also:
missverstehen - missverstanden
missbeurteilen - missbeurteilt
missempfinden - missempfunden

[1] Näheres dazu in der DuGra 06, RN 1065

[2] Die DuGra 06 widmet dem Problem der Substantiv-Verb-Verbindungen einen
größeren Abschnitt: RN 1336, S. 872 f

Gunhild Simon
14.05.2009

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