Wann verwendet man den Konjunktiv?

Konjunktiv I oder II?

Mich erreichte die folgende Anfrage: Danke, ich dachte, ich wäre merkbefreit. Oder könnte oder müsste da “sei” statt “wäre” hin?

Beides ist möglich. Welche Form zu wählen ist, hängt von der Aussageabsicht ab.

Die Frage der Wahl zwischen Konjunktiv I oder Konjunktiv II beantwortet sich aus dem Kontext. Wenn die Ansicht, merkbefreit zu sein, einen realen Tatbestand wiedergibt, also als berichtende, indirekte Rede gedacht ist, bevorzugt man den Konjunktiv I, sofern er durch eigene Formen erkennbar ist.

Wenn man ausdrücken will, dass diese Ansicht irrig ist, man also fälschlicherweise angenommen hat, vom Merken befreit zu sein, steht der Konjunktiv II. Hier hat er die Funktion, die Irrealität zu kennzeichnen. Deshalb heißt er Irrealis.

Ein anderer Fall des Konjunktiv II kommt an anderer Stelle des Textes vor. “… könnte oder müsste stehen?” Hier haben wir es mit der Möglichkeitsform zu tun, dem Potentialis. Auch diese Form wird häufig mit dem Konjunktiv II ausgedrückt.

Ein weiterer Anwendungsfall ist der irreale Bedingungssatz. Hier ist der Konjunktiv II der Konditional. Kondition bedeutet Bedingung. Konditionalsätze erkennt man an dem nebensatzeinleitenden Bindewort - der Subjunktion - falls, wenn, ob. Dies kann auch durch eine adverbiale Bestimmung, ein Adverbiale, ersetzt werden, um eine Bedingung auszudrücken: gesetzt den Fall, unter der Bedingung, im Falle, unter der Vorausetzung, dass …

Das Hauptproblem des Konjunktiv I liegt darin, dass seine Formen in den meisten Fällen übereinstimmen mit den Formen des Indikativs, der Wirklichkeitsform. Besser: “Anzeigeform”, denn darin steckt “indizieren”, anzeigen. Dagegen heißt Konjunktiv genaugenommen “der Satzverbindung dienende Form”. Bei Konjunktiv und Indikativ handelt es sich um Modi des Verbums - Modus, die Art und Weise des Auftretens. Konjunktive haben keine Zeitdimension, sind nicht als Tempora - Tempus, grammatische Zeit - zu verstehen. Deshalb ist es ratsam, von Konjunktiv I und II zu sprechen.

Gunhild Simon
29.04.2008

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