Wasser ins Gesicht!

Wenn das Gesicht hochrot ist von der Hochsommerhitze, wenn man einen klaren Kopf braucht oder die Müdigkeit vertreiben will, dann will man Wasser im Gesicht. Genauer, man will Wasser ins Gesicht.

Diese einfache Handlung elegant auszudrücken ist gar nicht so einfach. Man füllt die hohlen Hände mit Wasser, um es schleunigst ins Gesicht zu befördern, weil die zusammengefügten Hände nur eine kurze Zeit der Dichtung gewährleisten. Man wiederholt diesen Vorgang, weil ja einiges Nass verschüttet wird. Dabei beugt man sich über ein Becken.

In der Literatur findet sich dafür meistens, “sich Wasser ins Gesicht spritzen”, “das Gesicht mit Wasser benetzen”. Beides beschreibt aber nur unzureichend das vitale Bedürfnis nach dem Schwall Wasser, das Erfrischung und Kühle verspricht, und die beherzte Herangehensweise des Füllens der Hände.

Deshalb wirken die beiden Ausdrücke zu zurückhaltend und zimperlich. “Sich Wasser ins Gesicht schütten” erscheint widersinnig angesichts der entgegengesetzten Richtung der Schwerkraft der Flüssigkeit. “Sich Wasser ins Gesicht klatschen, schleudern” trifft zwar die Sache, hat aber einen sehr saloppen, umgangssprachlichen Unterton.

Thomas Mann findet zweierlei sprachliche Umschreibungen. In seiner Novelle “Der Tod in Venedig” nennt er einen ähnlichen Vorgang “mit Stürzen kalten Wassers über Brust und Rücken”. Davon ausgehend könnte man also formulieren “das Gesicht mit Stürzen kalten Wassers kühlen” oder “sich Wasser ins Gesicht stürzen”. An anderer Stelle nennt er den Vorgang des Kühlens des Gesichts, um zur Besinnung zu kommen: “Er badete sein Gesicht mit kaltem Wasser”. Auch diese Formulierung trifft den Vorgang recht weise. Man stelle sich im Zusammenhang der im Jahre 1900 spielenden Handlung ein wassergefülltes Becken vor, das ein fortgesetztes halb Tauchen halb Benetzen des Gesichts erlaubt.

Gunhild Simon
30.07.2009

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