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wenden und winden

Das Verb wenden hat allerlei Ableitungen. Sie verbergen sich auch hinter den unterschiedlichen Ablautfolgen der unregelmäßigen Stammformen, die neben den regelmäßigen bestehen: wenden, wandte, gewandt – wenden, wendete, gewendet.

Parallelen gibt es bei den präfigierten Verben abwenden, aufwenden, einwenden, verwenden, anwenden, entwenden, sich zuwenden es dabei bewenden lassen. [1]

Wann die schwache Verbform, wann die starke angewendet oder angewandt wird, hat mit der Sprach- und Abstraktionsebene zu tun. Generell gilt: Je konkreter und alltäglicher, desto eher verwendet man die regelmäßige Form, je abstrakter und hochsprachlicher, desto eher wählt man die unregelmäßige Form.

Beispiele:

Ich habe den Stoff gewendet. Ich wandte mich zum Gehen.
Er wandte sich ab. Die Gefahr ist vorerst abgewendet.
Das Geld wurde entwendet. Das Blatt hat sich gewendet.

Die Partizipien II, die sich häufig als Adjektiv verselbständigt haben, weisen die unregelmäßige Form auf und lauten entsprechend der Ablautfolge auf -a-, z.B. zu XY gewandt, mit abgewandtem Gesicht, ein zugewandter Mensch, hingewandtes Lächeln, die angewandte Mathematik, aber Regeln wurden angewendet.

Heutzutage wird dies besonders deutlich an dem ähnlich klingenden Verb senden. In Internet-Publikationen ist nur von gesendeten, versendeten Nachrichten, Mails, Postings, die Rede.

Wenden heißt hin und her drehen, “Wie immer man es dreht und wendet, …”

Sich wenden, sich ab-, umwenden ist weggehen, sich umdrehen.

Eng zusammen mit wenden hängt winden. Es hat die Bedeutung von hin und her wenden, wie es beim Winden, Weben und Flechten vonstatten geht. Daraus erklärt sich auch Wand, als aus Flechtwerk gestaltetes Gerüst, das danach mit Lehm und Kalk verputzt wurde.

Eine Winde – sei es eine Seilwinde oder eine Pflanze – windet, wickelt sich um einen Gegenstand herum. Auch in Wind, der bläst wo er will, steckt winden. Die Stammformen lauten winden, wand, gewunden. Im übertragenen Sinn hat sich winden die Bedeutung “in Erklärungsnot sein”, “keine klaren Worte finden”.

Sich wenden steht oft im Zusammenhang mit weggehen. Wandern heißt den Ort verändern, ihn einem Wandel, einer Veränderung unterziehen. Wandeln bedeutet hin und her gehen, also den Ort ein wenig ändern. [2]

Zu wandeln gehört das Gegenwort verwandeln. Verwandlung, sei es als Zauber, als dauerhafte Veränderung als Metamorphose gemeint, entzieht dem Gegenstand seine ursprüngliche Gestaltund ersetzt sie durch eine andere. Etwas anverwandeln ist angleichen, sich etwas anverwandeln ist sich etwas zu eigen machen.

[1] Hier gibt es offenbar nur den Infinitiv in dieser idiomatisierten Form und eine Substantivierungdas Bewenden, “damit hat es sein Bewenden”, d. h. “es ist damit abgeschlossen”.

[2] Die Nachsilbe -eln bei Verben bringt oft eine Art Verharmlosung hervor, z. B. schänden – verschandeln, streichen – steicheln, tanzen – tänzeln.

Gunhild Simon
Jan 21 2011

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