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Wespen im Spätsommer

Jetzt im Spätsommer werden die Wespen lästig. Das liegt daran, dass sie im Zenit ihrer Population stehen und arterhaltende Brut zu versorgen ist. Die Nahrungsquellen sind knapp geworden, denn die Blütezeit, die Nektar und Pflanzensäfte hervorbrachte, ist vorbei. Nun sind es Früchte, Fallobst, und, in der Nähe von Menschen, frucht- und zuckerhaltige Nahrungsmittel - also Marmelade, Saft und Kuchen.

Heute morgen konnte ich dies bei meinem Balkonfrühstück verfolgen: Die Marmeladenreste auf Teller und Messer, die kleinen Erdbeertröpfchen wurden geprüft und aufgeleckt - Energiezufuhr für die permanente Bewegung. Auch Wassertropfen an den frischgegossenen Pflanzen fanden Beachtung. Eine einzelne Wespe jedoch war emsig damit beschäftigt, winzige Reste meines Frühstückseis, die ich ihr eigens präsentiert hatte, in transportable Stückchen zu zersägen und fortzutragen. Sie war schnell wieder zur Stelle, um die Arbeit fortzusetzen. Ihr Auftrag lautete wohl Nahrungsbeschaffung für die Larven. Die benötigen nämlich Eiweiß.

Ich habe keine Angst vor Wespen. Ich verscheuche sie mit gelassener Entschiedenheit und tröste mich damit, dass sie es nicht auf mich abgesehen haben, sondern als soziale Insekten, also staatenbildende, quasi ferngesteuert sind, einen Auftrag haben, den sie robotermäßig erfüllen. Dieser lautet nicht “Angriff” sondern “Nahrungsbeschaffung”.

Aber täuschen wir uns nicht! Wenn man Bienen oder Wespen zum Stich nötigt, dann muss man sich doppelt in acht nehmen. Denn die Artgenossen riechen das Gift - oder eher wohl die Pheromone, die als Erkennungsmerkmal arteigener Panik vermittels einer höheren Flügelschlagfrequenz verströmt werden - und eilen zu Hilfe. So erklärt sich ihre Aggressivität, die auch in der Nähe ihres Nestes und der zu schützenden Brut eine niedrigere Schwelle zu haben scheint.

Bei uns gibt es zwei verbreitete Wespenarten. Die Deutsche Wespe, Vespula germanica, und die Gemeine Wespe, Vespula vulgaris. Man kann sie an der Zeichnung ihres Stirnpanzers unterscheiden. Jedoch gelang mir dies begreiflicherweise nicht bei meinen Kandidatinnen. Sie hielten die Köpfe angelegentlich gesenkt.

Jetzt neigt sich der Sommer. Bald stirbt der Wespenstaat und mit ihm die Königin, die seit einigen Monaten nur noch die Aufgabe des Eierlegens hatte.

Aus einer Samentasche befruchtete sie die Eier nach der Ablage mit dem Sperma, das sie seit ihrem Hochzeitsflug im Herbst des letzten Jahres aufbewahrt. Sie ist Herrin über das Geschlecht der Brut. Befruchtete Eier werden weibliche Tiere, die aber durch die Abgabe von Pheromonen an einer Entwicklung zu einem geschlechtsfähigen Weibchen gehindert werden. So werden Arbeiterinnen daraus. Am Ende des Sommers werden durch eine Verringerung der Pheromonabgabe der Mutter, also der Königin, und eine gehaltvollere, eiweißreiche Ernährung die jungen Königinnen herangezogen.

Diese beginnen sogleich mit der Eiablage. Die ersten Eier, von einer Jungkönigin gelegt, sind unbefruchtet und werden alle noch im Herbst zu Drohnen. Das sind männliche Tiere, die auch umherschweifen, um keine Inzucht zu erzeugen. Junge Königinnen werden nun befruchtet und überwintern mit ihrem Samenvorrat allein an einer geschützten Stelle in einer Art Winterruhe, um im Frühjahr einen neuen Staat zu gründen. Die junge Königin baut dazu an geeigneter - einer dunklen, warmen und geschützten - Stelle ein Nest mit papierartigen Waben aus mit Speichel vermischtem gekauten Holz. Die Wabenzellen haben wie die der Bienen eine sechseckige Form, eine Form, die sich als höchst ökonomisch für den Wärmehaushalt des Nests erweist. Bis zum Schlüpfen versorgt sie die Brut selbst mit erbeuteten Insekten, die sie zu einem Nahrungsbrei zerkleinert. Die Larven ihrerseits versorgen die Königin mit winzigen Tropfen zuckerhaltiger Flüssigkeit. Diese einzigen Stoffwechselprodukte der Larven dienen der Königin zur Nahrung und dadurch gleichzeitig der Hygiene des Nestes.

Sobald der Nachwuchs geschlüpft ist, hat die Königin nur noch die Funktion, für die Fortpflanzung zu sorgen. Die Arbeiterinnen beschaffen Nahrung und versorgen die Königin und die Brut, vergrößern die Waben, halten den Stock sauber und pflegen die Larven.

Die Wespe ist im Gegensatz zur Honigbiene, Apis mellifera, ein Raubinsekt. Sie erbeutet andere Insekten, um den Eiweißbedarf der Brut zu gewährleisten. Dies geschieht bei den Bienen über eiweißreichen Pollen. Für den eigenen Energiebedarf dienen Pflanzensäfte wie Nektar und später im Jahr Früchte. Im August sind Wespen besonders hungrig, und ihre Brut besonders bedürftig. Deshalb erscheinen sie uns Menschen so lästig.

Weiterführende Hinweise:

baytor.de: Bienen und Immen – Vorbilder und Frühlingsboten

baytor.de: Totalitarismus im Bienenstaat – Arbeit, Müßiggang und Fortpflanzung

Gunhild Simon
31.07.2009

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