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Zöglinge und Sprösslinge

Zöglinge und Sprösslinge – sie werden gehegt und gepflegt, erzogen und aufgezogen: Bäumchen in der Baumschule, Kinder im Kindergarten. Ein sprachlicher Widerspruch?

Mit den Begriffen Baumschule und Kindergarten verknüpft sich die Vorstellung von jungen, schutzbedürftigen, der Erziehung anheimgestellten Wesen: in der Baumschule stehen Bäumchen in Reih und Glied, Kinder spielen im Garten, finden Verwahrung, vielleicht sogar Zuflucht im Hort.

Was hat nun der Garten mit Erziehung zu tun? Ruft nicht Garten die Vorstellung von Blumen und Gemüse, Erholung und Entspannung, Frieden und Ungestörtheit hervor? In Garten steckt Hag, ein von Dornengestrüpp eingefasstes Gehege, hegen, bewahren, ebenso auch Garde, Bewachung.

So verstehen sich auch die englischen Wörter yard, Hof, garden, Garten, guard, Wache, und die französischen garde, Verwahrung, Wache, garder, aufbewahren, jardin, Garten. Die gemeinsamen Wurzeln lassen sich noch weiter verfolgen: Im Griechischen ist chórtos, im Lateinischen hortus der Garten, wozu sich das Verb hortari, ermahnen, wörtlich wohl eingefriedet werden, gesellt. Garten bedeutet nämlich umzäunter, eingefriedeter Bereich. Dies ist auch der Hintergrund des Begriffs Kindergarten.

In Kinder-Hort liegt der semantische Schwerpunkt auf Hort im Sinne von Unterbringung in sicherer Hut. Sowohl im religiösen Sprachgebrauch – »Hort des Glaubens«, Zuflucht – als auch im mythologischen – »Hort der Nibelungen«, Schatz – begegnet uns dieses Wort. Etymologisch bezeichnet es mittelhochdeutsch hort, englisch hoard, Bedecktes, Umhülltes, Vorrat und Aufbewahrung. Im Wortsinn bedeutet es Schatz, Zuflucht im übertragenen Sinn.

Garten und Hort haben offensichtlich keine gemeinsame Quelle. Zwar ist es verführerisch, aufgrund ihrer semantischen und formalen Nähe auf eine identische Wurzel zu schließen. Dies lässt ich jedoch nicht nachweisen.

Dennoch sehen wir, dass sich diese Alltagsbegriffe auf das ursprüngliche gesellschaftliche – zivilisatorische – Bedürfnis gründen, Eigentum zu schützen und zu bewahren, zu bedecken und zu verbergen durch Zäune, Hürden, Einfriedungen und Verstecke. All das kommt in den Wörtern Garten und Hort zum Ausdruck.

Gunhild Simon
2.07.2009

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