Zukunftsfähig oder zukunftstauglich? Über sinnvolle Kompositabildung.
“Kernkraft ist nicht zukunftsfähig.” So lautet das Credo der einen. Die anderen behaupten das Gegenteil.
Zukunftsfähig ist ein Schlagwort, das hoch im Kurs – ja, im politischen Diskurs – steht. Damit wird insinuiert, ein Modell sei in oder für die Zukunft geeignet.
Ist das Wort inhaltlich und grammatisch vertretbar? Oder ist es gar ein Un-Wort – eines das Autorität beansprucht und dabei gar keine echte Aussage hat?
Zukunftsfähig, zukunftstauglich, zukunftsträchtig und zukunftsgeeignet sind zusammengesetzte Adjektive, Komposita.
Wie werden adjektivische Komposita gebildet?
Adjektive und Partizipien wie fähig, tauglich, geeignet, trächtig, bereit, gebunden, verbunden, bedürftig, mächtig, orientiert, ausgerichtet etc. sind produktiv, d.h. mit ihnen lassen sich leicht neue Adjektive, Komposita bilden.
Neben solchen Wortgliedern stehen die adjektivischen Nachsilben, Suffixe. Sie kennzeichnen ein Adjektiv. Sie lauten -ig, -lich, -isch, -selig, -sam, -haft, -bar, ja sogar -iglich.
Aus -haft und -bar erschließt sich leicht eine eigene Bedeutung.
Während -haft ausdrückt, dass einer Sache eine Eigenschaft “anhaftet”, ist die Herkunft von-bar etwas dunkler. Darin erkennt man noch das englische Verb to bear, tragen. Diese Nachsilbe deutet also darauf hin, dass das Adjektiv eine Bedeutung “trägt”. Verben, die diese Verbindung eingehen, sind prinzipiell transitiv, also ins Passiv übertragbar. Das Verb, das sich mit der Nachsilbe -bar verbindet, ist darin passivisch zu verstehen.
Was bedeutet das Wortglied -fähig?
Es ist widersinnig, von einem lenkfähigen Fahrzeug zu sprechen. Denn in Wirklichkeit ist es der Fahrer, der es zu lenken versteht. Das Fahrzeug hat die Eigenschaft, lenkbar zu sein.
Das Auto wird gelenkt. Es ist lenkbar. Es ist nicht lenkfähig. Kohle wird verbrannt, sie ist brennbar, nicht brennfähig. Uran kann gespalten werden. Es ist spaltbares Material, nicht spaltfähiges. Denn spaltfähig wäre es, wenn es diese Aktivität selbst entfaltete. Für eine Gesetzesübertretung wird man haftbar gemacht. Denn haftfähig heißt, dazu in der Lage sein, die Haft anzutreten.
Grammatisch ist das Wort “zukunftsfähig” also fragwürdig. Inhaltlich ist es schwammig.[1] Stattdessen sind vergleichbare Komposita – zukunftsträchtig, zukunftstauglich, zukunftsgeeignet, zukunftsbezogen – kontextuell zu erwägen.
Fähigkeit bringt die Beteiligung eines Subjekts zum Ausdruck: erwerbs-, ausbau-, heirats-, bewegungs-, gestaltungs-, schuldfähig.
Also ist Kernkraft (k)ein Modell, das dazu geeignet ist, die Energieversorgung der Zukunft gefahrlos sicherzustellen.
[1] Zur deutschen Sprache, -fähig
Gunhild Simon
Jul 25 2012
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