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Zur deutschen Sprache

1. Ein mürrischer, übelgelaunter Mensch wird Griesgram genannt

Wer kennt sie nicht, die Eselsbrücke für richtige Anwendung des »ß« bei schwer abzuleitenden Wörtern? »Bloß ein bißchen Grieß«. Sie ist inzwischen überholt, denn folgt man den neuen Vorschriften, bietet sich nach einem kurzen Vokal wie in einem Wort wie »bißchen/bisschen«, nun logischerweise das »ss« an.

Die Frage, warum Grieß mit »ß« zu schreiben ist, erschließt sich nicht ohne weiteres. Es ist Lernstoff. Daher der alte Merksatz!

Allerdings kann man der Frage auf den Grund gehen, aus welcher Quelle der übellaunige, zähneknirschende Mensch, der sich Griesgram nennt, gespeist ist. Hat es etwas mit dem Getreideprodukt Grieß, Bruchstücken des Mehlkörpers, oder eher mit dem Grieseln, einer ungemütlichen Unbill des Wetters zu tun?

Es ist letztlich beides. Der Begriff bezeichnet zermahlenes, zermalmtes Material, schließlich auch geschrotetes Getreide wie Grieß und Grütze. Dass ein missgestimmter Mensch gleichsam mit den Zähnen knirscht, eine frostige Atmosphäre verbreitet, wie wenn bei strenger Kälte kleine Schneeflocken herumfliegen, das alles steckt gepaart mit Gram, Grämlichkeit und Vergrämtheit in dem Bild des Griesgrams. Hier zeigt sich, dass Grieß und Griesgram nur scheinbar verschiedene Wurzeln haben, wie die verschiedene Schreibung zunächst nahezulegen scheint.

Ergänzende Information: Wikipedia »Grieß«

Zu Wikipedia »Grieß«

 

2. Dunkle Kammern und Verliese. Oder sind es Verließe?

Um einen stimmlosen Silbenauslaut richtig zu schreiben bedarf es mehr als Hörverstehen, denn ob es wie in unserem Beispiel als »s«, als »ß« oder gar als »ss« zu schreiben ist, dazu muss man in der Lage sein, es abzuleiten. In der Regel erfolgt dies über eine Verlängerung des betreffenden Wortes: »muss« geht auf »müssen« zurück, »dies« lässt sich verlängern zu »dieses«. Wie aber steht es mit jenem unwirtlichen Ort tief unter dem alten Gemäuer, wo der bedauernswerte, von Menschen und Tageslicht verlassene Gefangene schmachtet: Man »verließ« ihn, »ließ« ihn allein zurück.

So naheliegend dies klingt, nicht der Ort der Verlassenheit sondern der Ort der Verlorenen stand Pate. Von »verlieren, verloren« ist es nicht weit zu »Verlust«. Dieses Wort steht wiederum dem englischen »lose, lost« nahe. So also erklärt sich »das Verlies, die Verliese«.

Ergänzende Information: Wikipedia »Verlies«

Zu Wikipedia »Verlies«

 

3. Deutsche Teutonen, teutonische Deutsche? Zum Begriff deutsch

Als Ursprung von »deutsch« wird oft das naheliegend erscheinende »teutonisch« angenommen. Teutonen, also Nachfahren eines martialischen Germanenstamms, so werden Deutsche in fremden Ländern abfällig bezeichnet, wenn sie sich unsensibel über Landessitten hinwegsetzen. Deutsch geht jedoch auf das Wort »duit« zurück, was soviel wie »Volk« besagt. Dies hat sich im Niederländischen überliefert: duits, Duitsland. In vielen Namen germanischen Ursprungs ist dies noch erhalten, man denke an Dieter, Dietmar, Dietlind, Dietger, Detlef. Wirklicher Namensgeber der Deutschen sind also nicht die kriegerischen Teutonen, sondern der friedliche altgermanische Begriff duit, Volk.

Ergänzende Information: Wikipedia »Teutonen«

Zu Wikipedia »Teutonen«

 

4. Homophon und Homonym – Was gleich klingt und was den gleichen Namen trägt

Wie aber steht es mit den Bedeutungsabweichungen – am Beispiel der Teil oder das Teil?

Auf den ersten Blick scheint es keinen Unterschied zu geben. So manches Wort hat zweierlei grammatisches Geschlecht. Bei Teil unterscheidet sich die Bedeutung beider scheinbar gleichen Teile. Der Teil lässt sich ersetzen duch »der Anteil«. Jetzt zeigt sich seine Qualität als Bestandteil eines Ganzen. Das Teil hingegen bezeichnet ein Detail, eine Einzelheit, ein Stück streng für sich genommen. Nur aus diesem Grund muss die Redewendung »Ich, für meinen Teil« lauten, denn so gesprochen versteht man sich als einen Teil, als Vertreter einer Gruppe, wie sich auch in der Wendung »Ich, für meine Fraktion« zeigt. Hier das Neutrum »das/mein Teil« zu verwenden, bedeutete sich der Lächerlichkeit preizugeben.

Ergänzende Information: Arikah »Homonym«

Zu Arikah »Homonym«

 

5. Wiederholtes Kopfzerbrechen um zwei widersprüchliche Homophone: wider oder wieder?

Vor die Frage gestellt, ob etwas ausgedrückt werden soll, das mit zuwider zu tun hat oder mit wiederum, hält man prüfend inne. Es ist ja dies das Kriterium, das die Rechtschreibung zugrundelegt. Aber ist der vermeintliche Unterschied zwischen wider und wieder womöglich nichts als eine gutgemeinte, jedoch scheinbare, ja nasführende Unterscheidung?

Das mittelhochdeutsche Wort wider geht zurück auf einen Komparativ (zur Definition grammatischer Begriffe vgl. Duden – Grammatische Fachausdrücke), der soviel wie weiter weg/auseinander, hin und zurück ausdrückte (vgl. Duden, Das Herkunftswörterbuch 2006).

Die gemeinsame Wurzel des Adverbs wieder (abermals) und der Präposition wider (gegen) ist also das Wort weiter. Im 17. Jahrhundert erst führten Gelehrte eine unterschiedliche Schreibung ein, die einen verschiedenartigen Sinn verdeutlichen sollte, dem jedoch keine merklich unterschiedliche Ausprache entsprach.

Heute ist wider vor allem in dem Adverb zuwider vertreten, zuwider sein, gehen, laufen. Vereinzelt findet man es in Wendungen wie wider besseres Wissen, wider die Menschlichkeit, wider Treu und Glauben, wider die guten Sitten/die Moral, wider Recht und Gesetz, wider die Natur, wider menschliches Ermessen/alle Logik/die Vernunft, wider die Regeln, wider den tierischen Ernst. Dazu gedacht wird fast zwangsläufig das Verb verstoßen. Oder ein Ausrufezeichen als Zeichen des Aufrufs: Wider das Vergessen, den Ungeist, die Rückständigkeit, die Unterdrückung!

Erhalten ist wider vornehmlich in vielgestaltigen Ableitungen und Komposita. Sie alle drücken mit diesem Bestandteil entweder etwas Gegensätzliches oder etwas Abstoßendes aus: z. B. Widrigkeit, Widerstand, Widerhall, Widerspruch, Widerwille, Widersacher, Widerpart, Widerling, widerstehen, widerlegen, widersprechen, widerrufen, widerwärtig, widerwillig, widersprüchlich, widerlich, widrig, erwidern, anwidern.

Wie unscharf die Grenze letztlich ist, zeigt sich etwa an den Verben widerspiegeln, widerhallen und wiederholen, wiedertaufen. Sie lassen sich auch uminterpretieren, und so stößt man unversehens auf den gemeinsamen semantischen Kern von hin und zurück.

Ergänzende Information: Dr. Hartmut Lenk, Germanistisches Institut der Universität Helsinki »Homophone«

Zu Dr. Hartmut Lenk, Germanistisches Institut der Universität Helsinki »Homophone«

 

6. »Empathy for the devil«

Zwei scheinbare Homonyme beschäftigen uns: empathisch oder emphatisch? Nur eine unscheinbare Kleinigkeit trennt sie. Doch gerade weil es sich um Fremdwörter handelt, muss man sich vorsehen, dass man sich nicht vergreift. Denn der Bedeutungsunterschied ist auch in unserem Sprachgebrauch markant.

Bestes Mittel zur Differenzierung ist immer noch die Herleitung, d. h. der Blick auf die Herkunft, die Etymologie (vgl. Duden, Das Herkunftswörterbuch, 2006 und Duden, Das Fremdwörterbuch, 2006). Die Ähnlichkeit der beiden Wörter hat natürlich etwas mit ihrer Herkunft aus dem Griechischen zu tun.

Allen folgenden Wörtern gemeinsam ist das »Pathos« – Leidenschaft – Gefühl.

sympathisch = »gleichfühlend«, angenehm; Sympathie = Sich-hingezogen-Fühlen; Antipathie = Ablehnung, ist jedermann geläufig. In empathisch/Empathie, engl. empathy, steckt also ein bekannter Kern: -pathie = Leiden, besondere Fähigkeit, Anteilnahme, aus griechisch pathos = Gemütsbewegung, Empfindung. Während die Vorsilben syn-/sym- etwas Zusammengehöriges, Zusammenhängendes, anti- aber etwas Gegenläufiges, Widersprüchliches ausdrücken, entspricht die Vorsilbe em- »mit«. Also bedeutet empathisch soviel wie »mit Mitgefühl, einfühlend, mitfühlend, mitleidsfähig«.

Dagegen steckt in emphatisch/Emphase das griechische Verb »emphainein« = aufzeigen, sichtbar machen, das aus »em« und »phainein« = erscheinen lassen, ans Licht bringen gebildet ist. Erst über das französische »emphase« kamen unsere Fremdwörter »emphatisch, Emphase« zu ihrer heutigen Bedeutung »mit Nachdruck, nachdrücklich, mit Redeschwung«.

Ergänzende Information: Lexikon. sociologicus »Empathie«

Zu Lexikon. sociologicus »Empathie«

 

7. Komposita ersetzen Satzglieder

Das Deutsche ist reich an Zusammensetzungen und beliebig erweiterbar durch Neuschöpfungen. Durch Komposita können so Satzglieder, etwa nähere Bestimmungen – Attribute – oder Nebensätze wie Relativanschlüsse und Infiniverweiterungen, ersetzt werden.

Z.B. Wasserglas:
Ein Glas, aus dem man Wasser trinkt (Relativanschluss)
Ein Glas für Wasser (Präpositional-Attribut mit einem Substantiv)
Ein Glas zum Wassertrinken (Präpositional-Attribut mit einem substantivierten Infinitiv)
Ein Glas, dazu gedacht, um Wasser daraus zu trinken (Infinitiverweiterung)

Das entscheidende, das Schlüsselwort, das am durchgängigen Artikel kenntlich wird, befindet sich am Schluss. Alle anderen Teile sind nähere Angaben zu diesem Gegenstand. Betont wird im Deutschen immer der erste Teil des Kompositums. D. h., die Betonung mit jedem neu hinzukommenden Wortteil verschiebt den Betonungsakzent nach vorn.

Z. B.:
der »Platz«, der »Vorplatz«, der »Bahnhofsvorplatz«,
der »Hauptbahnhofsvorplatz«

Sie zusammenzufügen scheint simpel. Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, die Notwendigkeit oder Konvention von Fugenlauten zu kennen oder den möglicherweise implizierten Genitiv zu erfassen.

So heißt es zwar Bahnhofsplatz, aber Dorfplatz, Leitersprosse aber Treppenstufe. Je nach Zusammenhang wechseln Fugenlaute und verborgene Genitiv-s-Laute. Man spricht von Kindergeld, Kindesentführung, Kindsmutter, von Tagewerk, Tageslicht und Nachtlicht, von Mittagessen und Mittagszeit.

Fugenlaute – -s, -n, -t – erleichern das Sprechen von Zusammensetzungen. In der Behördensprache entfallen sie oft, deshalb klingt sie so hölzern. Ob und warum es Essensmarken oder Essenmarken heißen sollte, darüber wird man sich kaum einigen.

Komposita können Satzglieder ersetzen. Sie können Sprache schlanker und gefälliger machen, indem umständliche Umschreibungen entfallen. Muttersprachlern sind Fugenlaute geläufig, im Fremdsprachenerwerb muss ein Kompositum überwiegend als Ganzes erlernt werden, weil es keine übergreifenden Regel für seine Bildung gibt. Im Fremdspracherwerb lohnt es sich, die Betonung des ersten Wortteils zu berücksichtigen.

Ergänzende Information: Wikipedia »Komposita«

Zu Wikipedia »Komposita«

 

8. Zusammenschreibung von eng zusammengehörigen Wörtern

Durch die Rechtschreibreform rückte eine Besonderheit der deutschen Sprache, die Bildung von Komposita, in den Blickpunkt. Damit verbindet sich nämlich die Frage, ob angesichts schwererer Lesbarkeit die Zusammenschreibung zueinander gehöriger Wörter in einem Wort noch zeitgemäß ist. Es rührte zunächst daher eine Tendenz, dem englischen Beispiel folgend das Grundwort und seine nähere Bestimmung zu trennen, ungeachtet der damit verbundenen Bedeutungsverschiebungen. Zusammenschreibung bezeichnet eine innigere Verbindung der betreffenden Wörter. Deshalb ist sie gerade dort am Platz, wo ein neuer Begriff entsteht, der in seiner bloßen Nebeneinanderstellung nicht deutlich würde: Man vergleiche etwa feststellen = als zweifellos hinstellen gegenüber fest stellen = schwankungsfrei auf-/ein-/hinstellen. Im Deutschen wird im allgemeinen die erste Silbe eines Wortes betont. Folglich zeigt sich die Zusammengehörigkeit bereits in der Betonung des ersten Gliedes, der näheren Bestimmung. Sie legt eine übertragene Bedeutung nahe und verändert so den Inhalt.

Wenden wir uns zur Verdeutlichung hier einer Gruppe von Komposita zu, die sich aus einem Partizip Präsens – z. B. stehend – als Grundwort und einem Adverb – z. B. allein – als nähere Bestimmung zusammensetzt. So drückt sich in dem Wort »alleinstehend« ein übertragener Inhalt aus, nämlich dass jemand keine Familie hat. Dagegen besagt »allein stehend«, dass jemand oder etwas figürlich außerhalb einer Gruppe, ohne fremde Hilfe steht oder nur das einzige noch stehende Individuum ist. Folglich muss man der Frage der Getrennt- oder Zusammenschreibung folgende Überlegungen zugrundelegen:

1. Die Betonung, die in der Regel auf der näheren Bestimmung des Grundwortes liegt. Dadurch wird eine Verbindung nahegelegt.
2. Den Kontext, der sich durch die Abgrenzung des figürlichen und übertragenen Zusammenhangs erschließt.
3. Die klassifizierende Betrachtung. Diese scheint abstrakter als sie ist, kommt doch in ihr zum Ausdruck, wie man den näher bestimmenden Teil des Kompositums zu verstehen hat.

Da der letzte Punkt die beiden ersten übergreift, soll er gesondert erklärt werden: Klassifizierend – klassenbildend – meint, dass die nähere Bestimmung einen gedachten Gegenpol einschließt, von dem sie sich abgrenzt.

Beispiele:
Der Verkehr ist zähfließend. (übertragen: stockend) – Das zäh fließende Öl erscheint weniger empfehlenswert als ein leicht fließendes. (figürlich: dick- oder dünnflüssig)
Die alte Frau ist alleinstehend (übertragen: ohne Anhang). – Dieser allein stehende Pilz wurde nicht abgeschnitten, hingegen die in Gruppen wachsenden wurden geerntet (figürlich: Wachstumbedingungen betreffend).
Die wildwachsende Himbeere zeichnet sich durch ihr Aroma aus (übertragen: natürlich). – Auch Kulturhimbeeren haben gelegentlich wild wachsende Triebe (figürlich: Wildtriebe).

Dies alles funktioniert nur in Satzzusammenhängen wie den dargestellten, denn prädikativ ist nur ein aus einem Partizip Präsens entstandenes Adjektiv in einem grammatisch sinnvollen Satz gültig: Das Öl ist zähfließend. (Falsch: *Das Öl ist zäh fließend.* = Das Öl fließt zäh.) Das Unterscheidungsmerkmal – übertragen oder figürlich – lässt sich bei vergleichbaren Zusammensetzungen wie feststehend, weitgehend, langanhaltend, vielversprechend, andersdenkend, freischwebend, wildwachsend, freilebend, falschblickend, schöntuend, zähfließend entsprechend herausarbeiten. Es behält auch seine Gültigkeit, wenn man es auf andere Kompositagebilde anwendet.

Komposita haben in ihrer Form eine Bedeutung, der eine Getrenntschreibung kaum Rechnung tragen würde. Deshalb sollte man genau überlegen, ob man tatsächlich im Fall getrennten Schreibens die figürliche, also klassifizierende Bedeutung ausdrücken will und ob die Aussageabsicht sich darin widerspiegelt.

Ergänzende Information: Interview mit Dr. Olaf Krause »Neue Rechtschreibung – neue Probleme?«

Zu mediensprache »Interview mit Dr. Olaf Krause«

 

9. In der linguistischen Fachsprache heißen sie Homonym, Homophon, Homograph – umgangssprachlich nennt man sie Teekessel

Als Handreichung für leidenschaftliche Spieler gibt es ganze Bücher voll mit solchen Zwillings-Begriffen. Hier beschäftigen wir uns mit der Verschiedenartigkeit dieser Besonderheiten, die auch den Schreibenden ratlos – nicht radlos – machen können. Der Oberbegriff ist homonym (gleichnamig), also in Lautung und Schreibung übereinstimmend, jedoch in Bedeutung und grammatischen Merkmalen unterschiedlich. Unterkategorien davon sind homograph/homograf (gleichgeschrieben) und homophon/homofon (gleichklingend).

Homonyme, z. B. der Hut (Kopfbeckung)/die Hut (Schutz), führen gleiche Begriffe für verschiedene Dinge an, unabhängig davon, ob sie in übertragener oder figürlicher Bedeutung, in Klang oder Wortbild übereinstimmen.

Homographe, z. B. arm (mittellos)/der Arm (obere Extremität) zeichnen sich durch ihre signifikante formale Übereinstimmung in Klang und Schreibweise aus, der dennoch keine gemeinsame Herkunft zugrundeliegen muss. Denn arm (ahd., mhd. arm) hat den ursprünglichen Sinn verwaist, während der Arm als Lehnwort zu verstehen ist, dessen Bedeutung sich vornehmlich aus seiner Funktion als Waffe und Werkzeug erklärt (ahd., mhd. arm; lat. armus, Schulterblatt; lat. arma, Gerätschaft, Waffen; franz. armes, Waffen; engl. arm, Arm, Waffe).

Homophone z. B. Lied/Lid unterscheiden sich in einem Detail ihrer Schreibung, nicht aber in ihrer Aussprache voneinander. Oft haben sie eine unterschiedliche Herkunft. So entstand Lied aus mhd. liet, während Lid sich aus mhd. lit, Deckel, Verschluss herleitet.

Betrachten wir das homonyme Beispiel Grat/Grad. Zunächst bildet es lediglich Homophone ab, denn inhaltlich sind beide voneinander geschieden. Dennoch ist jedes der beiden für sich genommen wiederum ein Homograph, denn mit dem Wechsel des Genus – der Grad/das Grad, der Grat/das (Rück-)grat – ändert sich jeweils die Bedeutung.

Manchen wurde erst durch die differenzierte Schreibung zur Selbständigkeit verholfen z. B. der Laich. Dies Wort mit der Bedeutung »Ei-Ablage im Wasser« wurde zunächst mhd. leich (Liebesspiel, Gesang) geschrieben. Eine Schreibung mit ai kam erst im 18. Jahrhundert auf, um ein Unterscheidungsmerkmal zu die Leiche (»toter Mensch«) zu schaffen. Entsprechend verhält es sich mit der Schreibung der Leib (Körper)/der Laib (Brot). Letzteres wurde ursprünglich ahd. leib geschrieben. Auch Laib geht auf ein ahd. Wort leib, mhd. leip (»gesäuertes Brot«) zurück. Stadt/Statt, wieder/wider haben identische Wurzeln, jedoch unterschiedliche Schreibungen, um ihre jeweiligen Bedeutungsmerkmale hervorzuheben. Andere sind aus anderen Sprachräumen in Vermischung mit anderen Ursprüngen zurückgekehrt, z. B. Bord, Borte, Bordüre, (über)borden, aus ahd. bort, engl. board (vgl. Duden Das Herkunftswörterbuch 2006).

Solche Schreibungen sind eine Herausforderung, ja auch Hürde, beim Erlernen der Schrift. Sprachverständnis ist der Schlüssel zur Orthografie.

Viele Begriffe sind so verschiedenartig zu füllen, dass sie nicht nur in der Alltagssprache, sondern auch in der Literatur und in den Fachsprachen vielfältig verwendet werden, wie z. B. Raum, Zeichen, Stück, Stätte, Boden, Strahl, Stand, Winkel.

Während »Teekesselchen« fast beliebig durch die Übertragung von realen zu bildlichen Bedeutungen zustandekommen, wie z. B. Schloss, Bauer, Hahn, Decke, Mantel, Welle, Leiter, Kammer, zeigt sich auch bei genauerer Betrachtung vieler nicht so augenfälliger Beispiele ein sehr schlichter gemeinsamer Nenner als Ursprung ihrer Bedeutung, die, neuen Bedürfnissen folgend, jeweils spezifisch angepasst wird, z. B. Flieger, Taxe, Menu, Schirm.

Aus diesem Grund betrachtet die heutige Sprachwissenschaft diese ausschweifende und vielfältige Gruppe von Wörtern, die strenggenommen einer Übertragung entspringen, nicht mehr als homonym.

Des Weiteren sollen einige Beispiele die unterschiedlichen Aspekte verdeutlichen.

Homonyme:
die Bank (Sitzgelegenheit), Plural: die Bänke; die Bank (Geldinstitut), Plural: die Banken
der See (Binnengewässer), Plural: die Seen; die See (das Meer)
der Kiefer (Gebiss), Plural die Kiefer; die Kiefer (Nadelbaum), Plural: die Kiefern

Homophone:
die Lerche, die Lerchen (Vogel); die Lärche, die Lärchen (Nadelbaum)
das Rad, die Räder (Transportmittel); der Rat, die Ratschläge, die Räte (Empfehlung, Beamtentitel)
die Wahl , die Wahlen (Votum); der Wal, die Wale (Meeressäuger)

Homographe:
alt (betagt); Alt (Stimmlage aus lat. hoch/tief)
fort (weg); das Fort (franz. die Festung)
Pflaster (Wundauflage, Straßenbelag) aus mlat. emplastrum, Wundpflaster, zementierter Fußboden, griech. émplastron das Aufgeschmierte

Abkürzungen:
mhd. = mittelhochdeutsch
ahd. = althochdeutsch
lat. = lateinisch
engl. = englisch
franz. = französisch

Ergänzende Information: Wikipedia »Homograph«

Zu Wikipedia »Homograph«

 

10. Niemand oder keiner?

Gemeinsam ist ihnen die Unbestimmbarkeit. Deshalb heißen sie Indefinita. Darunter versteht man indefinite Artikelwörter und Pronomen. Das Indefinitum niemand ist wie jemand ein Pronomen – »pro nomen« bedeutet, es steht für einen Namen, ein Nomen, es ersetzt also ein Substantiv. Das Indefinitpronomen bezeichnet eine nicht näher bestimmbare Person, z. B. Niemand ist übriggeblieben. Ein Artikelwort dagegen steht anstelle eines Artikels bei einem Substantiv. Beispiel dafür ist das indefinite Artikelwort kein, z. B. Kein Mensch ist übriggeblieben.

Es wird in seiner Form keiner, keine aber auch als Pronomen verwendet. Insbesondere in der verstärkenden Formulierung, nachgestellt, zeigt sich der Grenzfall zwischen Pronomen und Artikelwort: (Die Menschen hatten den Ort verlassen.) Übriggeblieben waren keine. Oder: Übriggeblieben war niemand. Die Häuser waren niedergebrannt. Übriggeblieben war keins. Oder: Das Haus war niedergebrannt. Übriggeblieben war nichts.

Während niemand oder jemand eine Person ersetzt, steht nichts oder etwas für eine Sache. Umgangssprachlich haben sich neben niemand keiner, neben jemand einer, neben nichts keins und neben etwas eins durchgesetzt.

Indefinita sind ein vielgestaltiges, schwer zu ordnendes Feld. Es gibt indefinite Artikelwörter und Pronomen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie nicht nach anderen Artikelwörtern stehen können. Zu ihnen zählt man all, ein bisschen, ein paar, ein wenig, einige, etwas, genug, jeder, man, manch, mehrere, sämtlich, nichts u. a. Man unterscheidet sie von unbestimmten Zahladjektiven.

Alle oder keine sind also Indefinita, dagegen andere, wenige, paar, viele, oder beide Zahladjektive. Das lässt sich über die Artikelprobe ermitteln – die anderen, paar, wenigen, vielen, beiden – denn Indefinita können keinen Artikel führen: andere Menschen – die anderen Menschen, manche Menschen – *die manchen Menschen*. Allerdings gibt es in diesem Bereich Grenzfälle, die sich in unterschiedlichem Auftreten zeigen. Das betrifft insbesondere ein, einer, welches als Indefinitpronomen in der Bedeutung von man oder jemand, als Artikelwort in der verstärkten Form irgendein, irgendeiner auftritt.

Ergänzende Information: Institut für deutsche Sprache und Linguistik, Humboldt-Universität zu Berlin »Probleme mit Indefinita, Anaphora und Quantoren«

Zu Institut für deutsche Sprache und Linguistik, Humboldt-Universität zu Berlin »Probleme mit Indefinita, Anaphora und Quantoren« (pdf)

Gunhild Simon
15.03.2007

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